In der armen Bevölkerung Indiens sind Frauen die Stützen der Gesellschaft. Sie tragen die Sorge um die Kinder, sie reiben sich auf in dem Bemühen, den Kindern wenigstens eine Mahlzeit am Tag zu bieten, und ihnen wird ein `an Duldsamkeit und Unterwerfung abgerungen. Die Männer dieser Gesellschaftsschicht flüchten sich oft in den Alkoholismus, was den Frauen dann wiederum noch mehr Arbeit abverlangt.
Auch im Berufsleben der armen Bevölkerung wiederholt sich diese Vormachtstellung des männlichen Geschlechtes in voller Stärke. Auf den Baustellen zum Beispiel sieht man immer wieder, dass die Frauen die schwereren Arbeiten verrichten, während die Männer oft zuschauen und ab und zu einmal zugreifen. Dafür erhalten die Frauen die Hälfte bis zwei Drittel des Arbeitslohnes, der Männern gezahlt wird. Diese Schilderung ist zweifellos ein Klischee, doch sie trifft in 90 Prozent der Fälle zu, wenn nicht sogar in 99 Prozent.
Angesichts der eklatanten Ungerechtigkeit in der Entlöhnung der Frauen lag uns eine grundsätzliche Förderung von Frauen seit langem am Herzen. Um aus der Abhängigkeit von ihren Männern herauszukommen, mussten sie etwas lernen – eine Tätigkeit ausüben, die ihnen mehr einbrächte als den Hungerlohn der ungelernten Arbeiterin.
Unser erstes Projekt dieser Art war ein Nähkurs, den wir den Müttern unserer Schulkinder anboten. In mehreren Kursen erlangten sie die Fähigkeit, einfache Oberbekleidung für Kinder und Frauen zu nähen. Damit konnten sie sich für den Eigenbedarf helfen. Ein ständiges Einkommen hatten sie allerdings damit nicht, da die Nachbarn und Freunde die Arbeit nicht bezahlten.
Um ein regelmäßiges Einkommen zu erlangen, müssten sie in Fabriken arbeiten, was ihre Situation als Mütter kleiner Kinder in der Regel selten erlaubt, es sei denn, sie wohnen in der Nähe unserer Kindertagesstätte. So bleibt diese Unterstützung nur begrenzt nützlich, da sie sie nur für den Eigenbedarf anwenden können.
Die Einrichtung unserer Sparvereine, die für die Mütter unserer Kinder geschaffen wurden, ist ein weiterer Schritt zur Förderung dieser leidgeplagten Frauen. Durch die Sparvereine entstand nicht nur eine Solidargemeinschaft zur gegenseitigen Unterstützung bei privaten Sorgen, sondern sie geben den Frauen auch Selbstvertrauen und Mut, ihr Leben selbstständiger zu gestalten. Mit Hilfe ihres Sparvereins ist es einigen Frauen gelungen, den Schuldenberg der Familie drastisch zu reduzieren, während andere sich ein kleines Geschäft aufbauen konnten.
Wir sind auf einem guten Weg…