Elternbesprechungen

 
Wer das Glück hatte, in die Shishu-Schule aufgenommen zu werden, weiß, dass er einen Sechser im Lotto gewonnen hat.
Jedes Jahr bekommen wir ca. 200 Anmeldungen für die Aufnahme in unsere Schule, von denen nur 20 Kinder genommen werden können. Es entsteht also ein erbitterter Kampf um die wenigen Plätze, der mit allen Mitteln der Einflussnahme bis zu Drohungen gegen unsere Schullizenz geführt wird. Wir haben die schwere Aufgabe, viele Kinder abweisen zu müssen, die einen Platz in der Shishu-Schule auch verdient hätten.
 
Die Eltern, deren Kinder unter den 20 Auserwählten sind, wissen, dass Shishu Mandir jetzt für alles sorgt. Damit haben sie zwar nicht Unrecht, aber einige Dinge sind auch von den Eltern zu leisten. Um sie daran zu erinnern, haben wir mindestens dreimal im Jahr eine Elternversammlung, auf denen die Eltern eine Palette von Vorhaltungen erzählt bekommen. Herr Anand verfügt über eine besondere Art, den Eltern alle ihre Versäumnisse so geschickt und verschmitzt vorzuhalten, als spräche er von anderen Menschen und deren falsches Verhalten. Sie verstehen natürlich, wer mit dem falschen Verhalten gemeint ist, fühlen sich aber innerlich freier, als wenn sie direkt angesprochen worden wären. So bleibt die Atmosphäre immer sehr freundlich, so dass die Eltern zu 98 % zu den Besprechungen kommen.
 

Und was sind ihre Versäumnisse? Es fängt an mit dem regelmäßigen und pünktlichen Schulbesuch, geht dann weiter mit schmutziger Schulkleidung, obwohl sie drei Sets jedes Jahr bekommen. Die Kinder kommen ungekämmt zur Schule und sind oft noch nicht richtig wach, weil sie zu spät ins Bett gegangen sind. Die Kinder lassen ihre Schulhefte zu Hause oder haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie bringen ihre Sportkleidung nicht mit. Aber das in unseren Augen schlimmste Vergehen ist, die Kinder zum Lügen anzustiften. Die Familie fährt z.B. aufs Dorf zu Verwandten und nimmt natürlich alle Kinder mit. Anschließend muss das Kind uns berichten, es wäre krank gewesen. Bei den Eltern größerer Kinder drängt Herr Anand darauf, keinen Verwandten als Ehepartner auszusuchen, was in diesen Kreisen sehr üblich ist. Außerdem legt er ihnen nahe, auch den Wunsch ihrer Kinder bei der Wahl des Lebenspartners zu beachten und sie auf keinen Fall zu einer nicht gewollten Ehe zu zwingen. Wir haben wegen einer solchen Situation bereits den Selbstmord eines unserer Schulmädchen erlebt müssen.
Die Themen sind vielfältig und immer wieder erwähnenswert, um die Enzwicklung der Kinder aufs Beste zu fördern.
Wir arbeiten daran …